Das deutsche Wissenschaftssystem zum Guten reformieren: Wie es gelingen kann
von Amrei Bahr, Kristin Eichhorn und Sebastian Kubon
Wie soll das deutsche Wissenschaftssystem zukünftig gestaltet werden? Nach massiver Kritik aus der Wissenschaft – statusgruppen- und disziplinübergreifend – ist eines jedenfalls klar geworden: Definitiv nicht so, wie das am Freitag veröffentlichte Eckpunktepapier der Ampelregierung zur WissZeitVG-Reform vorsieht. Wie aber lässt es sich besser machen?
1) Es braucht eine umfassende Personalreform mit unbefristeten Stellen neben der Professur
Die Fixierung auf die Professur muss aufhören. Es braucht andere unbefristete Stellentypen, von denen aus man auch auf Professuren wechseln kann, aber nicht muss. Klar ist: Weiterentwicklung und Befristung müssen entkoppelt werden. Dazu müssen Hierarchien abgebaut, neue Stellentypen geschaffen und echte Departmentmodelle umgesetzt werden.
2) Dauerhafte Perspektiven für Postdocs gesetzlich sichern
Postdoc-Stellen müssen eine dauerhafte Perspektive bieten. Eine Befristung ohne jegliche Verpflichtung des Arbeitgebers, die Beschäftigten in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis zu übernehmen, darf nicht mehr zulässig sein. Wir wissen aus der Erfahrung mit dem WissZeitVG, dass Höchstbefristungsgrenzen nicht automatisch zu mehr unbefristeten Stellen führen. Sie sind ein untaugliches Instrument, um die Arbeitsbedingungen für Postdocs zu verbessern. Eine gesetzliche Regelung muss deshalb mithilfe von Anschlusszusagen sicherstellen, dass Postdocs in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen werden.
3) Mindestvertragslaufzeit für die Promotion
Eine Mindestvertragslaufzeit von vier Jahren für die Promotion muss durch verbindliche Vorschriften durchgesetzt werden. Eine Soll-Vorschrift erfüllt diesen Zweck nicht. Dass Qualifikation Promotion bedeutet (und nicht beliebiges anderes), muss im neuen WissZeitVG eindeutig festgehalten werden.
4) Langfristige Finanzierung statt Unwucht der Projektförderung
Finanzielle Mittel, die nach derzeitiger Planung in der Exzellenzstrategie, in Mitteln der DFG und Förderprogrammen des Bundes befristet eingesetzt werden sollen, sollten stattdessen dazu genutzt werden, einen zukunftsfähigen Umbau des deutschen Wissenschaftssystems zu betreiben, der faire Arbeitsbedingungen sicherstellt.
5) Alle verantwortlichen Akteur_innen müssen gemeinsam ihrer Verantwortung gerecht werden
Rahmenbedingungen des neuen Wissenschaftssystems sollten in einer konzertierten Aktion von Bund und Ländern gemeinsam und nicht gegeneinander geschaffen werden. Entsprechend sollte der Bund zu einer gemeinsamen Konferenz einladen sowie weitere gezielte Anreize für die Schaffung von mehr unbefristeten Stellen in der Wissenschaft setzen.
Mit der Reform des WissZeitVG hat die Ampelregierung die Chance, eine echte, grundlegende Umstrukturierung des deutschen Wissenschaftssystems anzustoßen – hin zu fairen Beschäftigungsbedingungen, Kooperation auf Augenhöhe statt unproduktiver Hyperkonkurrenz und nachhaltiger Sicherung von Expertise. Konkrete und konstruktive Vorschläge liegen hiermit auf dem Tisch. Liebe Ampel: Packt es an!