Eine neue Ära in der #IchBinHanna-Debatte – und was wir jetzt tun sollten
Die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes war bislang vor allem eins: Äußerst langwierig und zäh. Sie zieht sich seit Monaten hin — der Zeitpunkt, zu dem mit dem Inkrafttreten des neuen WissZeitVG zu rechnen ist, wurde vom BMBF zuletzt immer weiter nach hinten geschoben. Dabei ist die Sache durchaus eilig: In der vergangenen Woche hatte ich hier im Newsletter dargelegt, warum sich Deutschland weitere Verzögerungen der Reform beim besten Willen nicht mehr leisten kann. In der zentralen Diskussion um die Ausgestaltung der Höchstbefristungsdauer für Postdocs war indes zuletzt kein Fortschritt erkennbar: Das FDP-geführte Bundesministerium für Bildung und Forschung hatte in seinen Referentenentwurf ein 4+2-Modell für die Postdoc-Befristung aufgenommen; demnach wären nach vier Jahren Befristung zwei weitere befristete Jahre nur mit Anschlusszusage möglich. Von den Grünen und der SPD wird dieses Modell nicht mitgetragen — und das aus guten Gründen, denn es verspricht nicht die nötigen Verbesserungen, sondern wäre für die Situation der Postdocs sogar kontraproduktiv. Wenige Stunden nach Absenden meines Newsletters war dann aber plötzlich alles anders: Es gab große Neuigkeiten, die die Debatte wieder ordentlich angeschoben haben. Was war da los — und wie sollten wir im Lichte der Neuigkeiten jetzt weitermachen?
Die Befristungshöchstquote: Ein Gamechanger für #IchBinHanna
Die Neuigkeiten sind schnell erzählt. Wir stießen auf einen Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags aus dem September 2023, der besagt: Die Befristungshöchstquote ist verfassungskonform!
Aber: Was hat es mit der Befristungshöchstquote nochmal auf sich? Rekapitulieren wir kurz, was diesbezüglich bisher geschah! Im Kontext der WissZeitVG-Debatte wurde die Befristungshöchstquote bereits im März 2023 von Tobias Rosefeldt in einem Gastbeitrag auf dem Blog von Jan-Martin Wiarda ins Spiel gebracht. Die Idee dahinter ist leicht nachzuvollziehen: Statt Hochschulen und Forschungseinrichtungen — wie aktuell aufgrund des geltenden WissZeitVG — umfangreiche Möglichkeiten der Befristung einzuräumen, die bekanntermaßen äußerst ausgiebig genutzt werden, wird die Zahl der befristeten Stellen, die ein wissenschaftlicher Arbeitgeber besetzen kann, im Verhältnis zu den unbefristeten Stellen über eine Quote begrenzt.
Auch in einigen Stellungnahmen zum WissZeitVG-Referentenentwurf findet sich die Befristungshöchstquote als Vorschlag, um die Befristungsproblematik zu lösen — darunter unsere #IchBinHanna-Stellungnahme, die ich gemeinsam mit Kristin Eichhorn und Sebastian Kubon vorgelegt habe. Warum die Befristungshöchstquote das Potential hat, im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens eine produktive Einigung herbeizuführen, hat Arnold Arpaci in diesem Gastbeitrag auf dem Wiarda-Blog aufgeschrieben.
Dass eine solche Quote sich verfassungskonform umsetzen lässt, hatten zuvor bereits Arnold Arpaci und Simon Pschorr in ihrem Beitrag auf dem JuWiss-Blog dargelegt. Die Wissenschaftlichen Dienste kommen in ihrem Sachstand nun zur selben Einschätzung.
Knoten lösen mit der Quote
Aber inwiefern löst die Nachricht, dass die Befristungshöchstquote verfassungsgemäß umgesetzt werden kann, nun endlich den Knoten in der Diskussion um die WissZeitVG-Reform? Nun, das Gute an diesem Instrument ist, dass es ein effektives Mittel darstellt, die Massenbefristung in der deutschen Wissenschaft einzudämmen — und zwar eines, das unabhängig ist von der festgefahrenen Diskussion zur Ausgestaltung der Höchstbefristungsdauer in der Postdoc-Phase. Es bietet das Potential einer Einigung innerhalb der Regierung, auch wenn die Frage nach der Höchstbefristungsdauer vorerst weiter umstritten bleibt. Mit einer sinnvollen Kombination aus Befristungshöchstquote und Höchstbefristungsdauer kann die Ampel nun endlich das einlösen, was sie im Koalitionsvertrag versprochen hat — hier nochmal der genaue Wortlaut zur Erinnerung:
„Gute Wissenschaft braucht verlässliche Arbeitsbedingungen. Deswegen wollen wir das Wissenschaftszeitvertragsgesetz auf Basis der Evaluation reformieren. Dabei wollen wir die Planbarkeit und Verbindlichkeit in der Post-Doc-Phase deutlich erhöhen […].“
Dieses Ziel ist jetzt zum Greifen nah — es braucht nur die Befristungsquote als zusätzliches Instrument im neuen WissZeitVG. Und wir können gemeinsam darauf hinwirken, dass sie darin klug umgesetzt wird! Aber was kann die #IchBinHanna-Community tun, damit das geschieht? Einiges!
Endspurt, #IchBinHanna!
Es gilt, die sich nun bietende, aussichtsreiche Chance gemeinsam zu nutzen und jetzt auf den letzten Metern bis zur Reform nochmal richtig Gas zu geben. Und zwar so: Wir alle sollten die großen Neuigkeiten zur Befristungshöchstquote in den (Sozialen) Medien (mit den Hashtags #IchBinHanna UND #Befristungshöchstquote) sowie vor Ort in den Hochschulen und Forschungseinrichtungen noch weiter verbreiten. Zu diesem Zweck können auch der Beitrag von Jan-Martin Wiarda und dieses lesenswerte Spiegel-Interview mit Sebastian Kubon geteilt werden (in den nächsten Tagen kommen noch weitere Beiträge hinzu, die wir ebenfalls über unsere Social-Media-Kanäle verbreiten werden, es lohnt sich also, die einschlägigen Hashtags im Blick zu haben).
Außerdem ist es jetzt an der Zeit, die genaue Ausgestaltung der Befristungshöchstquote zu diskutieren. Bezüglich der Frage nach deren Höhe enthält dieser Thread von Tobias Rosefeldt einige vielversprechende Überlegungen auf der Grundlage eines internationalen Vergleichs.
Und nicht zuletzt sollten wir alle an die Ampel — und allen voran an das BMBF — appellieren, damit sie dafür Sorge tragen, dass auf die großen Neuigkeiten nun sehr bald eine WissZeitVG-Novelle folgt, die die Befristungshöchstquote als flankierendes Instrument neben der Höchstbefristungsdauer enthält. Denn jetzt gibt es keine Ausreden mehr: Die Befristungshöchstquote muss ins neue WissZeitVG!