Es ist der Nachmittag des 24. November 2021: Die Ampel-Bundesregierung veröffentlicht ihren Koalitionsvertrag. Ich werde diesen Nachmittag nie vergessen, denn es war einer der bedeutenden Tage, an denen die Erfolge der #IchBinHanna-Debatte besonders greifbar waren: Der Koalitionsvertrag enthielt zwei Absätze zu unserem Thema, in denen all unseren Kernforderungen enthalten waren!
Zuletzt ist in der Debatte ums WissZeitVG einiges passiert. Ein Eckpunktepapier wurde veröffentlicht und wieder zurückgezogen. Die Anschlusszusage erwies sich als praktikable und von vielen Seiten zustimmungsfähige Lösung. Auch das aussichtsreiche Instrument der Befristungshöchstquote wurde und wird diskutiert. Von den zwei Ampel-Parteien, die sich zuvor für die Anliegen von #IchBinHanna stark gemacht hatten, hat sich eine in der auf die Eckpunkte-Rücknahme folgenden Diskussion klar positioniert: die SPD.
Auffällig ist allerdings: Mit den Grünen blieb die andere Partei, die #IchBinHanna zuvor ihre Unterstützung versichert hatte, erstaunlich unsichtbar. Das hat mich gestern veranlasst, unter dem Hashtag #HannaWartetAufGrün einmal nachzuhaken und um eine Positionierung zu bitten. Einige Stunden später kam dann tatsächlich eine, und zwar in Form eines Gastbeitrags von Laura Kraft im Blog von Jan-Martin Wiarda – und blieb im Lichte der bisherigen Statements der Grünen weit hinter allen Erwartungen zurück. Aber der Reihe nach. Wie haben sich die Grünen überhaupt zuvor geäußert?
#IchBinHanna und die Grünen: Was bisher geschah
Bereits in ihrem Bundestagswahlprogramm 2021 bekannten sich die Grünen eindeutig zu den Zielen von #IchBinHanna – dort heißt es:
„Wir wollen das Wissenschaftszeitvertragsgesetz weiterentwickeln und den Anteil der unbefristeten Mitarbeiter*innen-Stellen, insbesondere im Mittelbau, substanziell erhöhen. Daueraufgaben sollen auch mit Dauerstellen gesichert sein. Hierzu gehören unbefristete Berufswege neben der Professur, um Hierarchien abzubauen und die kooperativen Arbeitsweisen in der Wissenschaft zu stärken.“ (S. 157f.)
Aber auch im Anschluss an die Wahl gab es eindeutige Statements zur Unterstützung der #IchBinHanna-Anliegen. So sagte Laura Kraft in ihrer Bundestagsrede am 15.12.2022 das Folgende:
„Eine der großen Zielsetzungen der Ampelkoalition im Hochschulbereich war und ist es weiterhin, das Wissenschaftszeitvertragsgesetz auf Grundlage der Evaluation zu reformieren. Die Evaluation hat gezeigt: Hier ist Handlungsbedarf.
Das ist auch keine Überraschung gewesen. Das haben wir erwartet. Es ist so gekommen. Die Evaluation hat gezeigt, was schon seit Jahren leider trauriger Alltag im Wissenschafts- und Forschungssystem hier in Deutschland ist.
Durch #IchBinHanna ist öffentlich geworden, welche Negativfolgen und Begleiterscheinungen die Befristungspraxis an unseren Hochschulen hat. Die Befristungsquote ist einfach immer noch viel zu hoch.
[…]
Wir brauchen mehr unbefristete Karrierewege neben der Professur, die wir aufzeigen müssen.“
Und dann gibt es da noch den BAG-WHT-Beschluss „Faire Arbeitsverträge in der Wissenschaft!“, in dem es heißt:
„Die Post-Doc Phase ist keine Qualifikationsphase! Eine befristete Anstellung ist nach der Promotion deshalb nur einmalig möglich und mit einer verbindlichen Anschlussoption auf eine entfristete Beschäftigung zu versehen. Den Anteil an Dauerstellen nach der Promotion wollen wir substantiell erhöhen.“
Wir sehen also: Vieles aus der aktuellen Diskussion findet sich hier wieder, darunter die Senkung der Befristungsquote (die über die aktuell diskutierte Befristungshöchstquote erreicht werden kann) und die Anschlusszusage für Postdoc-Stellen.
Plot twist: Verantwortlich sind immer die anderen?!
So weit, so gut – wäre da nicht der gestrige Gastbeitrag von Laura Kraft im Wiarda-Blog, der die Frage aufwirft, wie es um diese eindeutigen Commitments der Grünen aktuell bestellt ist. Denn da plädiert Kraft auf einmal dafür, die – durch die bisherigen Statements der Grünen selbst immer wieder geschürten – Erwartungen an die WissZeitVG-Reform herunterzuschrauben, und verliert sich ansonsten in einer bestürzenden Mutlosigkeit, die in der ermüdenden Verantwortungsdiffusion kulminiert, die #IchBinHanna inzwischen wirklich nicht mehr hören und sehen kann. Die wenig erhellenden Kafka-Referenzen, die sich durch den Text ziehen, sind da noch der geringste Anlass für Irritation. Was vor allem verwundert, ist, dass Kraft hier alles, was sie selbst und andere Mitglieder der Grünen für die WissZeitVG-Reform bislang an aussichtsreichen Ideen vorgelegt haben, mit keinem Wort erwähnt. Das, liebe Grüne, kann es doch wirklich nicht gewesen sein!
Niemand hat je in Frage gestellt, dass es zusätzlich zur WissZeitVG-Reform weitere Maßnahmen braucht. Aber völlig klar ist auch: Die WissZeitVG-Reform liegt jetzt an. Dafür müssen gute Lösungen her – und die liegen auf dem Tisch, flankierende Maßnahmen inklusive.
#HannaWartetAufGrün: Jetzt erst recht!
Deshalb wird #IchBinHanna dranbleiben, liebe Grüne, und weiterhin darauf warten, dass Ihr Euch positioniert – und zwar nicht gegen die, sondern in der Diskussion um die WissZeitVG-Reform! Wir wollen wissen: Was sind denn jetzt Eure Pläne und Ziele für diese Reform? Und nein, die Verantwortung auf andere schieben oder auf die ganz große Lösung unter Beteiligung sämtlicher Länder zu warten: Damit kommt Ihr nicht weiter. Weder, was eine echte Reform des WissZeitVG betrifft – noch bezüglich Eurer Sympathien bei #IchBinHanna. Denn die stehen spätestens seit dem gestrigen Beitrag auf einer harten Probe. Es ist nun an Euch, das in Euch gesetzte Vertrauen zurückzugewinnen: mit Gestaltungswillen statt Mutlosigkeit.