Zum 2. Geburtstag von #IchBinHanna: Warum der Referentenentwurf (k)ein Geschenk ist
Am vergangenen Samstag war es soweit: Unsere Initiative #IchBinHanna hat ihren zweiten Geburtstag gefeiert. Wenige Tage zuvor, am Dienstag, unternahm das BMBF den ungelenken Versuch, #IchBinHanna ein vorzeitiges Geburtstagsgeschenk zu machen: Es veröffentlichte seinen WissZeitVG-Referentenentwurf, darin erneut eine neue Höchstbefristungsdauer für Postdocs. Nach dem Entwurf sollen Postdocs zukünftig vier Jahre befristet werden können, danach ist eine weitere Befristung nur mit einer Anschlusszusage möglich. Nun ist es ohne Frage gut (allerdings angesichts ihrer zahlreichen Fürsprecher_innen auch nicht völlig überraschend), dass das Instrument der Anschlusszusage im Entwurf enthalten ist. In der aktuellen Variante besteht aber wenig Hoffnung, dass dieses Instrument überhaupt zum Einsatz kommt, weil die vier anschlusszusagenlosen Befristungsjahre den Institutionen reichen dürften, um sich die Arbeitsleistung ihrer Postdocs zunutze zu machen und sie anschließend trotzdem durch neue Beschäftigte auszutauschen, statt ihnen per Anschlusszusage die verbindliche Option auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu eröffnen. Das alles ist seit Wochen Gegenstand der Debatte, und #IchBinHanna hat zumindest mit Blick auf das vorgezogene Geburtstagspräsent des BMBF wenig Grund zur Freude. Schließlich fragt sich langsam, wie es sein kann, dass das BMBF trotz aller gedrehten Schleifen im Prozess — darunter „Stakeholder-Gespräche“ und Eckpunkte-Diskussion — die gewonnenen Einsichten aus der #IchBinHanna-Diskussion weiter beständig ignoriert.
Die Frage ist nicht nur, was geschenkt wird, sondern auch von wem
Nichtsdestotrotz kann #IchBinHanna sich glücklich schätzen über die Entwicklungen, die dem zweijährigen Geburtstag so knapp vorangingen. Denn bei manchen Geschenken kommt es weniger auf sie selbst an als viel mehr darauf, wer sie schenkt — und wer nicht. Seit dem vergangenen Dienstag wissen wir zwar, dass der Referentenentwurf weit hinter das zurückgeht, was sich in der Debatte der letzten zwei Jahre als gangbar für eine echte Reform herauskristallisiert hat. Aber wir wissen noch etwas anderes, und das ist nicht weniger wichtig: Dieser Referentenentwurf ist ein Alleingang des FDP-geführten BMBF – die Grünen und die SPD machen da nicht mit. Somit ist der Referentenentwurf als solcher zwar sicher kein Geschenk für #IchBinHanna — die klare Haltung von SPD und Grünen, diesen Entwurf nicht mitzutragen, ist es aber sehr wohl. Denn ein Referentenentwurf ist noch kein Gesetz. Das weitere Gesetzgebungsverfahren bietet die Möglichkeit, beim strittigen Punkt der Postdoc-Befristung nochmal nachzubessern.
Auch die FDP hätte gute Gründe, nicht weiter die Party zu verderben
Die FDP steht also mit ihrem Vorschlag zur Postdoc-Phase in der Ampelregierung alleine da. Dabei hätte sie sehr gute Gründe, sich gegenüber den Erkenntnissen der Diskussion endlich einsichtig zu zeigen. Am Freitag sagte der für das WissZeitVG zuständige Parlamentarische Staatssekretär Jens Brandenburg im DLF-Interview, es sei wichtig, die ‚besten Köpfe‘ für die deutsche Wissenschaft zu gewinnen und dort zu halten. (Dokumentiert wird dies vom folgenden Tweet des BMBF, der bei 277.2K Views ganze 154 Replies und 93 Quote Tweets verzeichnet, aber nur magere 58 Likes. Man braucht keinen Crashkurs zum Thema Ratio, um zu sehen, dass aus diesem Verhältnis nicht gerade allgemeine Begeisterung für den Vorstoß des BMBF spricht.)
Was immer die besten Köpfe sein mögen (die Twitter-Community hat zu Recht mehrfach darauf hingewiesen, dass Wissenschaftler_innen nicht bloß aus Köpfen bestehen, sondern auch aus Körpern, die Essen, Wohnraum, Erholung und anderes benötigen): Wenn Deutschland konkurrenzfähige Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft anbieten möchte, die mit den Bedingungen im Ausland und der freien Wirtschaft mithalten können, dann darf aus einem Referentenentwurf mit einer 4+2-Regelung für die Postdoc-Phase kein Gesetz werden. Wenn die FDP ihre eigene Zielsetzung wirklich ernst nimmt, kann sie nicht wollen, dass durch ein Gesetz, das weiterhin ständige Personalrotation ermöglicht, die zu gewinnenden Köpfe mitsamt der daran hängenden Menschen von der Arbeit in der deutschen Wissenschaft abgeschreckt werden. Dass die Grünen und die SPD diese Problematik auf dem Schirm haben und sich nachdrücklich für attraktive Arbeitsbedingungen einsetzen, ist hingegen sehr erfreulich.
Ein Gesetz, das so viele Fehlanreize setzen würde wie der aktuelle Referentenentwurf, wäre eine Bedrohung für den Wissenschaftsstandort Deutschland. Es ist daher kaum zu überschätzen, wie wichtig es ist, die Ausgestaltung der Postdoc-Phase im Gesetzgebungsverfahren nochmals anzupassen. Zwei Punkte sind insbesondere zu beachten, damit die Reform des WissZeitVG eine wird, die den Namen auch verdient: Die Postdoc-Befristung vor der Anschlusszusage sollte auf maximal zwei Jahre gekürzt werden, um das Personalrotationskarussell auszubremsen – und es sollte mittels einer Befristungshöchstquote eine Reduzierung der derzeit überbordenden Anzahl befristeter Stellen im Postdoc-Bereich sichergestellt werden. Das wäre weit mehr als ein Geschenk für #IchBinHanna: es wäre die Rettung für das deutsche Wissenschaftssystem.