Neben der Professur und im Departmentmodell: HRK und Junge Akademie schlagen drei Dauerstellen-Kategorien vor
von Amrei Bahr, Kristin Eichhorn und Sebastian Kubon
Um den dritten Geburtstag unserer Initiative #IchBinHanna am 10. Juni haben wir in diesem Jahr bislang wenig Aufhebens gemacht. Die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) gestaltet sich weiterhin zäh; aktuell macht das Bundesministerium unter Ministerin Stark-Watzinger vor allem wegen der Fördergeldaffäre von sich reden, was einen Großteil der wissenschaftspolitischen Aufmerksamkeit bindet. Aller Blockadehaltung des BMBF und der FDP zum Trotz bewegt sich aber an anderen Stellen einiges in Sachen #IchBinHanna, und es lohnt sich, das nicht aus dem Blick zu verlieren. Immer wieder wird deutlich, dass unsere Protestbewegung in den vergangenen Jahren den gesamten Diskurs um wissenschaftliche Arbeitsbedingungen grundlegend verändert hat: Inzwischen verteidigt kaum noch jemand das aktuelle System, dessen Mängel werden nur noch äußerst selten bestritten — und, nicht minder erfreulich: Immer mehr Hochschulen und Institutionen machen sich selbst auf den Weg, um auch unabhängig von gesetzlichen Regelungen die Karrierewege in der Wissenschaft transparenter und verlässlicher zu gestalten. Es liegen bereits einige Personalkonzepte vor, zum Beispiel aus Hamburg oder Konstanz. Vieles ist in Bewegung geraten. Diejenigen, die die nächsten Schritte der WissZeitVG-Reform verantworten, sollten sich also sehr gut überlegen, ob sie als Ewiggestrige dieser rasanten Entwicklung hinterherhinken wollen oder doch noch die Kurve kriegen hin zu einem WissZeitVG, das die Fortschritte in der Debatte angemessen berücksichtigt.
Drei Kategorien unbefristeter Stellen neben der Professur
Seit gestern gibt es nämlich sogar ein Dauerstellenpapier auf übergeordneter Ebene: Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hat zusammen mit der Jungen Akademie „Leitlinien für unbefristete Stellen an Universitäten neben der Professur“ vorgelegt. Konkret schlagen die beiden Organisationen drei Kategorien von unbefristeten Stellen vor, die es in der Wissenschaft künftig für das nichtprofessorale wissenschaftliche Personal geben soll: Lecturer (mit max. 12 Semesterwochenstunden — kurz: SWS — Lehrdeputat), Researcher (mit 8 SWS) sowie Academic Manager, die sich vorrangig um wissenschafts- und lehrbezogene Verwaltungsaufgaben oder Transfer kümmern sollen, dabei aber weiterhin mit bis zu 4 SWS in die Lehre integriert bleiben.
Der Vorschlag nimmt erkennbar einige Kritikpunkte der letzten Jahre auf. So soll die maximale Lehrbelastung der Beschäftigten, die speziell für die Lehre zuständig sind, bei 12 SWS gedeckelt werden — das verhindert die Entstehung ausbeuterischer Hochdeputatsstellen, auf denen letztlich keine wissenschaftlich informierte Lehre mehr möglich ist, weil die betreffenden Personen schlicht keine Zeit mehr haben, auch nur die Entwicklung des Forschungsstands angemessen zur Kenntnis zu nehmen. Das Modell eröffnet außerdem die seit langem angemahnten Möglichkeiten zur Spezialisierung — und plant auch endlich überhaupt unbefristete Stellen für die Forschung neben der Professur ein, die bislang sehr viel stärker als die Lehre projektbezogen organisiert und entsprechend befristet werden. Dass in diesem Zusammenhang von „Daueraufgaben in der Forschung“ die Rede ist, dokumentiert ebenfalls einen bedeutsamen Fortschritt in der Debatte. Denn damit wird das Forschen nach der Promotion auf nichtprofessoralen Stellen endlich vom fragwürdigen Qualifikationsnarrativ entkoppelt. Nicht zuletzt ist bemerkenswert, dass das Papier einen Aufstieg bis zur Besoldungsgruppe A15/E15 vorsieht.
Wie viele unbefristete Stellen sollen es werden – und ist die Ausgestaltung der drei Kategorien überzeugend?
Einige Fragen bleiben dennoch offen, allen voran diese: Wie viele Stellen der drei vorgelegten Kategorien sollen an den Hochschulen eigentlich geschaffen werden? Im Papier heißt es dazu etwas wolkig:
„Aus Gründen der Generationengerechtigkeit muss dabei das Verhältnis zwischen unbefristeten und befristeten Stellen ausgewogen sein.“
Das weckt Erinnerungen an das alte Argument der vermeintlichen Generationsgerechtigkeit durch die Befristung von Stellen (so heißt es im #IchBinHanna-Video: „damit nicht eine Generation alle Stellen verstopft …“). Ein Gerechtigkeitsbegriff, der Beschäftigung unter prekären Bedingungen und ein höchstwahrscheinliches ungewolltes Ausscheiden aus dem Wissenschaftssystem als Chance rahmt, ist allerdings nicht sonderlich überzeugend; umso wichtiger ist die Abgrenzung von dieser Argumentationslinie. Dazu stellt sich vor allem eine Frage: Was genau soll „ausgewogen“ hier eigentlich heißen? Das vorgelegte Konzept mit Befristungshöchstquoten zu flankieren, wie sie auch für das WissZeitVG diskutiert werden, wäre eine Möglichkeit, darüber Klarheit zu schaffen. Nicht zuletzt könnten die Verantwortlichen auf diese Weise zeigen, dass sie an einer echten Veränderung interessiert sind und nicht bloß das berüchtigte Verstopfungsargument reproduzieren, das jeden Fortschritt hemmt.
Erfreulich ist, dass das Instrument der Anschlusszusage Eingang in das Papier gefunden hat — und zwar in deutlich zielführenderer und konsequenterer Weise, als dies im WissZeitVG-Entwurf der Fall ist —, denn die befristete Postdoc-Phase soll hier zwei Jahre dauern (was dem von uns befürworteten Vorschlag für das WissZeitVG entspricht). Wichtig wäre aber, dass diese Phase nicht noch weiter ausgedehnt wird (was die Formulierung „mindestens zwei Jahre“ bislang nicht ausschließt), damit der vorliegende Vorschlag die Probleme des WissZeitVG-Entwurfs mit seiner allzu ausufernden Postdoc-Befristung nicht einfach wiederholt und das gesetzte Ziel größerer Planbarkeit wirklich erreicht wird.
Im Vergleich zu einer W3-Professur ist das Lehrdeputat der Lecturer mit 12 SWS im Übrigen weiterhin noch recht hoch, was auch die Frage aufwirft, in welchem Umfang Forschen überhaupt noch möglich ist. Zudem werden die Academic Managers auch dem wissenschaftlichen Personal zugerechnet — was fragwürdig ist, da es sich bei den Tätigkeiten, die sie in erster Linie ausüben sollen, gerade nicht um wissenschaftliche Tätigkeiten handelt.
Auf die Umsetzung kommt es an!
Ob der Vorschlag von HRK und Junger Akademie tatsächlich überzeugen kann, wird erst seine konkrete Umsetzung zeigen. Denn die vorgelegten Leitlinien erzeugen noch keine Verpflichtungen für die Hochschulen, entsprechende Personalkonzepte auch umzusetzen. Dennoch darf man die Signalwirkung des Papiers nicht unterschätzen: Es zeigt, dass es so, wie es ist, nicht weitergehen kann, und dass es Mut braucht, die Personalstruktur der Hochschulen grundsätzlich neu zu gestalten. Da die angedachten Stellen nicht mehr einzelnen Professuren zugeordnet sind, sondern auf einer übergeordneten Ebene (Institut, Fakultät) angesiedelt, ist das Papier ein begrüßenswertes Bekenntnis zu einer echten Departmentstruktur, wie sie das philosophische Institut der HU Berlin bereits beschlossen hat. Das ist ein wichtiger Schritt hin zu einer Hochschule, die der Arbeit all ihrer wissenschaftlich Beschäftigten die erforderliche Wertschätzung zuteil werden lässt, statt ständig nur auf die Professuren zu blicken. (Dass auch das nichtwissenschaftliche Personal angemessene Wertschätzung verdient, sollte sich freilich von selbst verstehen — hier können und sollten Hochschulen ebenfalls noch nachbessern.) Auch ermöglicht der Abbau von Hierarchien in Kombination mit mehr unbefristeten Stellen den Beschäftigten, ihre Rechte einzufordern, und baut Spielräume für Machtmissbrauch ab.
Die Botschaft der neuen HRK-Leitlinien lautet: Wir wollen es besser machen und haben die Probleme erkannt. Fortschrittliche Hochschulleitungen, die bereits jetzt eigenständig nach Wegen suchen, um die Prekarität zu verringen, erhalten somit Rückendeckung von oben. Und alle anderen geraten unter Zugzwang, wenn das wissenschaftliche Personal, das dank des Fachkräftemangels und der #IchBinHanna-Debatte längst nicht mehr alles mit sich machen lässt, seinen Arbeitgeber nach den Arbeitsbedingungen aussucht, die dieser bietet. Eine Zukunftsvision, die hoffnungsvoll stimmt — wir werden mit Spannung und Interesse beobachten, welche Ansätze noch folgen, mit denen wir uns dieser Vision weiter annähern können!